Der groe Unbekannte - Carlos Alberto sucht seinen Weg 11FREUNDE

Publish date: 2024-11-18

Der Schritt schlep­pend, die Augen müde. Carlos Alberto Gomes de Jesus hatte ges­tern keinen Blick für das Schweizer Berg­pan­orama. Über den Rasen des Sport­platzes in Bad Ragaz schleppte sich der Bra­si­lianer nur mühsam, wie nach jeder Trai­nings­ein­heit waren die andert­halb Kilo­meter zum Mann­schafts­hotel noch mit dem Moun­tain­bike zurück­zu­legen. Ich spüre meine Beine“, rich­tete der Mann mit den Ras­ta­lo­cken über seinen Dol­met­scher aus. Die 2:3‑Niederlage gegen den FC Liver­pool vom Vor­abend hatte Spuren hin­ter­lassen. Die beste Szene hatte Carlos Alberto nach 40 Minuten, als er den fin­ni­schen Abwehr­riesen Sami Hyypiä aus­tanzte, den Ball aber am leeren Tor vor­bei­drosch. Auf­fällig war seine exzel­lente Technik, aber sonst galt für den Bra­si­lianer: viel Leer­lauf, wenig Akzente.

Ich habe mich gut gefühlt“, sagte Carlos Alberto, mir fehlt noch der Rhythmus.“ Aber nicht nur das: Nach wochen­langem Tau­ziehen mit seiner umstrit­tenen Besit­zer­ge­sell­schaft MSI man­gelt es an der Fit­ness. Als der 22-Jäh­rige in einem Bremer Hotel vor zehn Tagen das Ende des Trans­fer­po­kers her­bei­sehnte, lief er ver­zwei­felt in den Bür­ger­park, um bei einer Schul­klasse mit­zu­ki­cken. Das aber ersetzt nicht eine Sai­son­vor­be­rei­tung mit­samt Trai­nings­lager. Wenn der SV Werder am Samstag im Liga­pokal auf den FC Bayern Mün­chen trifft (18 Uhr, live in Sat1), wird Carlos Alberto wohl erneut im rechten offen­siven Mit­tel­feld auf­laufen. Er hat sich gut ein­ge­bracht“, sagte Bre­mens Trainer Thomas Schaaf, der bemüht ist, den Bra­si­lianer rasch in das Mann­schafts­ge­füge ein­zu­binden. Sein Dol­met­scher hastet in Bad Ragaz immer wieder aufs Trai­nings­ter­rain, um auf Por­tu­gie­sisch Anwei­sungen zu erteilen für einen, der als teu­erster und umstrit­tenster Ein­kauf der Ver­eins­ge­schichte im Fokus steht: Rund acht Mil­lionen Euro hat Werder an Ablöse gezahlt, zudem soll Carlos Alberto 2,5 Mil­lion Gehalt pro Jahr erhalten.

Unglaub­lich!“, schimpft Carlos Alberto

Hinzu kommt, dass aus Bra­si­lien neue Vor­würfe auf­tau­chen: Es geht um Bestechung, Steu­er­hin­ter­zie­hung und abge­hörte Tele­fo­nate – Carlos Alberto soll 160 000 Dollar kas­siert haben, einen Teil davon unver­steuert. Die Gegen­leis­tung ist unklar. Tat­sache ist: MSI hat 2004 den Verein Corin­thians auf­ge­kauft und Trans­fer­rechte an Spie­lern erhalten, dar­unter eben auch die an Carlos Alberto, der im ver­gan­genen Jahr von Corin­thians an Flu­mi­nense aus­ge­liehen war. Wer­ders Sport­chef Klaus Allofs hält die Geschichte für hane­bü­chen: Man müsse vor­sichtig sein mit sol­chen Anschul­di­gungen. Unglaub­lich!“, schimpft Carlos Alberto, ich habe nur Fuß­ball gespielt und nichts gemacht.“

Immerhin: Der fünf­fache Natio­nal­spieler wirkt auf­ge­schlossen und extro­ver­tiert. Ein offener, fröh­li­cher Typ“, sagt Kapitän Frank Bau­mann. Klaus Allofs pro­phe­zeit: Er wird dafür sorgen, dass wir kon­kur­renz­fähig bleiben, aber er muss den Ball nicht auf der Nase tanzen lassen.“ Wer­ders Sport­di­rektor erwartet eine indi­vi­du­elle Note, aber keine Wun­der­dinge.

Allzu forsch will sich Allofs auch des­halb nicht äußern, weil der Nach­folger für Miroslav Klose wei­terhin auf sich warten lässt. Wir werden nichts Unver­nünf­tiges machen. Ein echter Klose-Ersatz würde 15 bis 20 Mil­lionen kosten. Das können wir uns nicht erlauben.“ Wäh­rend der finan­ziell geseg­nete FC Liver­pool neben dem frü­heren Lever­ku­sener Andrej Woronin, der im Test gegen Werder zwei Tore erzielte, noch Ryan Babel (Ams­terdam, 17 Mil­lionen Euro) und Fer­nando Torres (Atle­tico Madrid, 36 Mil­lionen) ver­pflichtet hat und ohnehin Peter Crouch und Dirk Kuyt unter Ver­trag hat, freut sich Werder, wenn Nach­wuchs­stürmer Kevin Schindler ein Tor erzielt.

Ange­sichts der Unge­wiss­heiten wei­gert sich Allofs hart­nä­ckig, ein Bremer Sai­son­ziel zu benennen. Das Lob von Liver­pools Trainer Rafael Benitez, der pro­phe­zeite, man werde Werder im Cham­pions-League-Finale wie­der­sehen, wirkte unter den aktu­ellen Umständen jeden­falls wie pure Ironie.

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Dieser Artikel erschein mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von tages​spiegel​.de

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