Lothar ist ein Opfer - Sport-Bild-Reporter Raimund 11FREUNDE

Publish date: 2024-11-17

Rai­mond Hinko, Sie kennen Lothar Mat­thäus so gut wie nur wenige in Deutsch­land. Bitte erklären Sie es uns: Warum hat Mat­thäus einen so schlechten Ruf?

Rai­mund Hinko: Dafür gibt es zwei Erklä­rungen. Ers­tens: Weil er selber viel dafür getan hat, zwei­tens: Weil ein Typ wie Lothar ein ideales Opfer für das typisch deut­sche Schub­la­den­denken ist.

Was meinen Sie damit?

Rai­mund Hinko: Die Kli­schees, die mit ihm asso­zi­iert werden! Seit er sich damals bei seiner Vor­stel­lung bei den Metro Stars etwas mit seinem eng­lisch ver­has­pelte, glaubt Gott und die Welt, dass Lothar Mat­thäus zu blöd ist, eng­lisch zu spre­chen. Das ist Quatsch. Dieser Mann ist seit Jahren im Aus­land unter­wegs und muss sich nicht nur im Alltag, son­dern auch auf dem Trai­nings­platz auf eng­lisch ver­stän­digen. Auch mit seiner Ex-Frau Mari­jana hat er die meiste Zeit eng­lisch spre­chen müssen. Ich denke, sein eng­lisch ist teil­weise deut­lich besser, als das seiner Kri­tiker.

Viele sagen: Den Mat­thäus kann man doch nicht unbe­auf­sich­tigt als Deut­scher ins Aus­land schi­cken.

Rai­mund Hinko: Noch so ein däm­li­ches Kli­schee. Ich habe mal ein Inter­view mit Char­lotte Knob­loch, der ehe­ma­ligen Prä­si­dentin des Zen­tral­rats der Juden, geführt. Und die hat mir bestä­tigt, dass Lothar Mat­thäus in seinem Jahr als Trainer von Mac­cabi Net­anya mehr für die deutsch-israe­li­schen Bezie­hungen geleistet hat, als so man­cher Poli­tiker.

Kli­schee Nummer drei: Lothar und die Frauen.

Rai­mund Hinko: Da weiß er selber, dass er Fehler gemacht hat. Auch ich denke, dass die Ehe mit Liliana nicht hätte sein müssen. Aber das ist sein Pri­vat­leben und damit auch seine Ange­le­gen­heit. Seinem Sohn hat er jeden­falls schon gewünscht: Ich hoffe, dass du mehr Glück mit den Frauen haben wirst, als ich.“

Wenn Sie an den Fuß­baller Lothar Mat­thäus denken, was fällt ihnen da als Erstes ein?

Rai­mund Hinko: Seine beiden Tore im deut­schen Auf­takt­spiel bei der WM 1990 gegen Jugo­sla­wien. Wie er da über den Platz mar­schierte und den Ball ins Tor wuch­tete, das war atem­be­rau­bend. Mit dieser Leis­tung hat er Deutsch­land den Weg zur Welt­meis­ter­schaft geebnet, seine Leis­tung in diesem Spiel hat der ganzen Mann­schaft klar gemacht: Wir können dieses Tur­nier tat­säch­lich gewinnen! Andreas Brehme sagte damals nach dem Spiel zu mir: Jetzt ver­lieren wir kein Spiel mehr.“

Welche Anek­dote ver­bindet Sie mit Lothar Mat­thäus?

Rai­mund Hinko: Da gibt es unzäh­lige Geschichten. Einmal besuchte ich ihn in Mai­land, er spielte damals gemeinsam mit Andreas Brehme bei Inter. Wir fuhren in seinem kleinen roten Peu­geot Cabrio vom Mai­länder Trai­nings­ge­lände zu seinem Haus bei Como. Plötz­lich tauchte vor uns ein Hin­dernis auf: Ein Last­wagen stand dicht an einer Mauer, eigent­lich kein Vor­bei­kommen. Nicht für Lothar. Er sagte zur mir: Wetten, dass wir da durch­kommen?“ Der Kerl, er wusste ja, dass ich weiß Gott kein Freund von Schnell­fah­rerei war! Ich wollte noch was sagen, da raste er auch schon los. Wir kamen tat­säch­lich durch – nur ein Außen­spiegel fehlte.

War er auch als Pri­vat­mensch so ein Drauf­gänger?

Rai­mund Hinko: Über­haupt nicht. Ich kenne ihn als sehr nach­denk­li­chen und für­sorg­li­chen Men­schen. Wenn er mich sah und ich nicht gesund wirkte, gab er mir immer gleich ein paar Wohl­fühl­tipps: Iss gesünder und arbeite nicht so viel!“ So ist Lothar Mat­thäus, ein äußerst sym­pa­thi­scher Kerl.

Und warum will ihn dann kein Bun­des­li­gist als Trainer ver­pflichten?

Rai­mund Hinko: Ich weiß es nicht. Aber ich halte es für töricht, dass das noch nicht pas­siert ist! Ich kenne keinen Men­schen auf der Welt, der so schnell und so prä­zise ein Spiel ana­ly­sieren und anschau­lich erklären kann, wie Lothar Mat­thäus. Ein Bei­spiel: Bei Atlé­tico Par­an­aense war er zwar nur sechs Wochen, aber in der Zeit besuchte ich ihn für eine Story. Nach dem Trai­ning schleppte er seine gesamte Mann­schaft vor den Fern­seher, sie sahen sich ein Spiel der Cham­pions League an. Die Jungs hingen an seinen Lippen, als er ihnen erklärte, warum die eine Mann­schaft so und die andere Mann­schaft so spielte. Phä­no­menal. Was die ana­ly­ti­schen Fähig­keiten angeht, kann es Lothar Mat­thäus mit sol­chen Kory­phäen wie Berti Vogts und Jupp Heyn­ckes auf­nehmen.

Wäre er denn in der Lage, eine Bun­des­liga-Mann­schaft anzu­führen?

Rai­mund Hinko: Durchaus. Er kann sich für Fuß­ball begeis­tern, wie ein kleines Kind. Und die Begeis­te­rung über­trägt er auf seine Spieler. Zuge­geben, nicht alle Trai­ner­sta­tionen waren bis­lang von Erfolg gekrönt, aber in Bel­grad, wo er Par­tizan 2003 erst­malig in die Cham­pions League führte, tragen ihn die Men­schen auf den Schul­tern, so bald er die Stadt betritt. Eine ähn­liche Euphorie könnte er auch in Deutsch­land ent­fa­chen.

Rai­mund Hinko, heute wird Lothar Mat­thäus 50 – was wün­schen Sie ihm zum Geburtstag?

Rai­mund Hinko: Er braucht einen soliden Verein aus dem Mit­tel­feld der 1. Bun­des­liga, bei dem er die Mög­lich­keit bekommt, eine Mann­schaft nach seinen Vor­stel­lungen zu formen. Dann bin ich mir sicher, dass auch seine letzten Kri­tiker ver­stummen werden.

ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWecpMGprdFmoKysXZq2r3nOqZ2eql9qhHZ%2FknI%3D